Zweiter Mann im Rathaus soll ehrenamtlich agieren / CDU beruft nach Bürgermeisterwahl-Niederlage Krisenrat ein
Mit 62,3 Prozent bei der Bürgermeisterwahl avancierte Thorsten Stolz (SPD) in Gelnhausen zum politischen Schwergewicht.

Die Zuversicht unter den Christdemokraten war am Wahlabend nicht besonders ausgeprägt. Deutlich früher als vor zwei Wochen, aber sichtbar zurückhaltend, platzierten sich Kandidat Thilo Allwardt und der Stadtverbandsvorsitzende Professor Dr. David Lupton im hinteren Teil der Stadthalle, derweil sich die zahlreiche SPD-Schar unmittelbar vor der Bühne breit machte.

Und noch bevor deren Anhänger die ersten Zwischenergebnisse lautstark feierten, ahnte Tom Zeller die Niederlage. "Wenn wir das gewinnen, wäre es eine Sensation", deutete der CDU-Kreisvorsitzende den Stimmungsumschwung in Gelnhausen an. "Nach dem ersten Wahlgang war das zu befürchten", analysierte Zeller später weiter, als es am Sieg von Thorsten Stolz nichts mehr zu deuteln gab.

Keine übereilten Reaktionen

"Ich habe mir persönlich nichts vorzuwerfen", kommentierte Allwardt seine Niederlage, die er in ihrem Ausmaß als "enttäuschend" wertete. Eindeutige Schuldzuweisungen an Parteichef Lupton, dessen Wortwahl "Rote Seuche" zuletzt alle politischen Themen übertönt hatte, lieferte allenfalls der politische Kontrahent. Eine Mischung von Gründen habe die Niederlage heraufbeschworen, meinte etwa Zeller und schloss "überhastete Reaktionen" im für gestern Abend einberufenen CDU-Krisenrat aus. "Wir werden über Konsequenzen diskutieren, aber ich werde einen Rücktritt von mir aus nicht sofort anbieten", ergänzte Lupton. Andere, wie der amtierende Bürgermeister, mochten sich zum Debakel der Union gar nicht äußern. "Das Leben geht weiter", meinte Jürgen Michaelis (CDU) trocken und mahnte, nachdem er Stolz eine "faire Chance und glückliche Hand" gewünscht hatte, eine konstruktive Politik im Sinne der Stadt an. "Dein Rat ist mir schon sehr wichtig", erwiderte der designierte Bürgermeister und versprach, auch künftig Ansprechpartner für alle zu sein. Er wolle mehr Menschen für die Stadt begeistern, sagte Stolz, dem die mit 49,1 Prozent eher bescheidene Wahlbeteiligung nicht behagte.

Wenn der SPD-Parteichef in viereinhalb Monaten, am 11. April, offiziell als Bürgermeister ins Rathaus einzieht, will er keinen zweiten Wahlbeamten an seiner Seite haben. "Ich möchte es ohne hauptamtlichen Ersten Stadtrat versuchen", ließ sich Stolz im Siegesgetümmel entlocken, was auch Ewald Desch bestätigte. "Nach der Koalitionsvereinbarung dürften die Bürger für Gelnhausen dieses Amt beanspruchen", erinnerte der SPD-Fraktionsvorsitzende und fügte hinzu, dass sich der Partner wohl mit einem Ehrenamt begnügen werde.

Zurück zur Sachpolitik

Ein paar Meter weiter gab sich der zweite politische Partner wie die SPD eher sachlich. "Wir setzen auf eine gute Zusammenarbeit", meinte FDP-Parteichef Jürgen Herms und verwies wie auch Desch auf die vordringlichen Aufgaben, den Haushalt und den Schuldenabbau. Etwas abseits brachte der vor zwei Wochen mit 22,1 Prozent gescheiterte liberale Kandidat Daniel Glöckner den Wunsch zum Ausdruck, dass nun ein "frischer Wind" durch die Stadt wehen möge und auch einige seiner Ideen und Konzepte dabei Berücksichtigung fänden.

Jörg Andersson, Frankfurter Rundschau

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