Gelnhäuser machen 27-Jährigen zum Rathauschef

Sozialdemokrat Thorsten Stolz steht für den Generationswechsel in den Parteien / CDU hatte intern vor "Roter Seuche" gewarnt

Ausgelassen feiert die SPD ihren Triumph in Gelnhausen. Nach drei Jahrzehnten unter Bürgermeister Jürgen Michaelis (CDU) stellen die Sozialdemokraten einen jungen Rathauschef. Gelnhausen - In der Stunde des Sieges bietet sich sein Name für Wortspiele an. "Wir sind auf Thorsten Stolz", prangte auf einem knallroten T-Shirt, das ein kleiner Junge aus der großen SPD-Familie zur Schau trug, die sich am Sonntagabend frühzeitig zur Wahlparty in der Stadthalle versammelt hatte. "Nervöser" als beim ersten Durchgang vor zwei Wochen, aber siegessicher hatten sich Stolz (27) und seine Anhänger zur Stichwahl an diesem Wochenende gestellt und den Triumph ausgekostet. Nach Jahren des Frusts ist die SPD in der 22 000-Einwohner- Stadt im Main-Kinzig-Kreis plötzlich die dominierende politische Kraft. Bei der Kommunalwahl Ende März kippte die CDU-Mehrheit. Die SPD schwang sich mit 33,2 Prozent an die Spitze eines Dreierbündnisses mit den Bürgern für Gelnhausen (BG) und der FDP und stellt seither den Stadtverordnetenvorsteher. Im April nächsten Jahres folgt der Bürgermeisterposten. Dann löst Stolz, noch als Diplom-Verwaltungswirt in Diensten der Stadt Frankfurt, Michaelis (64) ab, der seinem jungen Nachfolger für die Gestaltung in der Stadt "eine faire Chance" und eine "glückliche Hand" wünschte. Nach 40 Prozent vor zwei Wochen landete Stolz mit 62,3 Prozent einen in dieser Deutlichkeit kaum erwarteten Erfolg. Noch im Frühjahr befürchteten einige Genossen, der SPD-Kandidat könnte vom Wähler als zu "grün" für das Bürgermeisteramt erachtet werden. Doch Stolz, der seit 2003 als Parteivorsitzender amtiert, strafte seine Kritiker Lügen und reiht sich in eine Riege von Rathauschefs aus dem Kinzigtal ein, die frühzeitig Karriere gemacht haben. Einer davon, Sascha Raabe, gratulierte als einer der Ersten. Mit 28 zum Bürgermeister von Rodenbach gewählt, ist er mittlerweile SPD-Bundestagsabgeordneter. Im benachbarten Langenselbold machte Heiko Kasseckert (CDU) mit 25 Jahren als Rathauschef Schlagzeilen. In der einst "roten" Stadt hat nun die Union die Mehrheit. Und Kasseckert gilt als designierter Chef des Planungsverbandes. Den Absturz des CDU-Kandidaten Thilo Allwardt (40) in Gelnhausen hat die eigene Partei forciert. Im Postengerangel um die Nachfolge von Jürgen Michaelis' strauchelte bereits vor anderthalb Jahren Jürgen Degenhardt, dessen Wiederwahl als Erster Stadtrat an der eigenen Fraktion scheiterte. Vergangene Woche lancierte ein Vorstandsmitglied eine interne E-Mail in die Öffentlichkeit, in der CDU-Parteichef David Lupton mit Blick auf die SPD und ihren Kandidaten Stolz die Gefahr der "Roten Seuche" beschworen hatte. Jörg Andersson, Frankfurter Rundschau

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