Vorkehrungen gegen Überschwemmungen

Rund dreieinhalb Millionen Euro will der Magistrat der Stadt Gelnhausen in den nächsten drei bis fünf Jahren trotz finanzieller Nöte investieren, um die Bürger und ihr Hab und Gut vor dem Hochwasser der Kinzig zu schützen. Bürgermeister Jürgen Michaelis (CDU) befürchtet mit den Experten, daß außergewöhnliche Wetterereignisse mit zunehmenden extrem hohen Niederschlägen häufiger zu erwarten sind.

Bei normaler Wetterlage im Sommer ist die bei Sinntal-Sterbfritz entspringende und in Hanau in den Main mündende, 82 Kilometer lange Kinzig ein harmloses Flüßchen. Am Pegel Gelnhausen erreicht der Wasserspiegel zur Jahresmitte durchschnittlich eine Höhe von 55 Zentimetern. Doch wehe, im Spessart, Vogelsberg und Bergwinkel setzt die Schneeschmelze ein, und es gießt auch noch in Strömen, oder das Wetter schlägt in anderen Jahreszeiten Kapriolen und läßt Wolkenbruch auf Wolkenbruch niedergehen, wie so oft in den vergangenen Jahren:

Dann verwandelt sich die Kinzig in einen reißenden Fluß, der schnell über die Ufer tritt und das Tal zu einer riesigen Seenlandschaft werden läßt. Dann bangen jedesmal die Gelnhäuser, denn in der Stadt wird die Lage dadurch kritisch. Die Besiedelung, vor allem Straßen, Bahndämme und Brücken, bilden eine Engstelle, an der sich die Wassermassen stauen.

Vorkehrungen gegen Überschwemmungen

In der Vergangenheit hat Gelnhausen viele Vorkehrungen gegen Überschwemmungen getroffen. Doch Dämme und Retentionsflächen haben sich bei weitem als nicht ausreichend erwiesen. Ein Jahrhunderthochwasser erlebte Gelnhausen im Jahre 1967, als der Kinzigpegel am jüdischen Friedhof auf 4,69 Meter stieg. Die gesamte Südstadt mit vielen Geschäften und dem Bahnhof stand unter Wasser, war nur noch mit Booten befahrbar. Katastrophenalarm wurde ausgerufen, und Millionenschäden waren zu beklagen.

Nahe an einer ähnlichen Katastrophe stand Gelnhausen am 3. Januar 2003, als der Pegel sogar noch um 19 Zentimeter höher auf 4,88 Meter stieg, obwohl seit vielen Jahren der Ahler Stausee jedem Hochwasser die Spitze nimmt. Daß trotzdem „nur“ am Hotel „Burgmühle“ erhebliche Schäden entstanden und Gelnhausen ansonsten ohne große Schäden davonkam, verdankte die Stadt glücklichen Umständen. Der schnelle Einsatz des Katastrophenschutzes konnte an etlichen Stellen ein Eindringen des Wassers in die Südstadt verhindern, und die Flut blieb nicht, wie oft gewohnt, tagelang stehen, sondern rauschte schnell durch zu den ausgedehnten Auenwiesen am Flugplatz und weiter talwärts. Es kamen keine größeren Wassermassen nach, die sich hätten aufstauen können. Ausbaggerungen des Kinzigbettes, eine neue Flutmulde am Bahndurchlaß der Strecke in die Wetterau sorgten zum Beispiel für den schnelleren Abfluß, so daß die Dämme nicht brachen. Darüber hinaus waren im Jahr zuvor Bäume auf den Dämmen entfernt worden.

Nach dem Hochwasser von 2003 hat die Stadt das Wächtersbacher Ingenieurbüro Lotz AG beauftragt, eine umfangreiche, jetzt vom Magistrat gebilligte Hochwasserschutzkonzeption zu erstellen. Bürger wurden nach ihren Erfahrungen über das Verhalten der Fluten befragt, um die neuralgischen Stellen besser bewerten zu können. Zustand und Wirkungsgrad der vorhandenen Dämme und anderen Schutzeinrichtungen wurden untersucht. Die Stau- und Strömungsverhältnisse wurden nach bis zu 40 Prozent höheren Kinzigpegelständen als 2003 mit Computern simuliert.

Sanierung der Schutzanlagen

Dabei stellten die Fachleute fest, daß das eigentliche Nadelöhr nicht die Ziegelbrücke vor der Müllerwiese mitten in der Südstadt ist, wie die meisten Gelnhäuser bisher meinten, sondern der Bahndamm und die Brücke an der Westspange. Die bereits ausgebaggerte Flutmulde an der Westspange, die nach dem Januar 2003 verlandet war und neu profiliert wurde, bringt den Berechnungen zufolge bereits eine Senkung an der Ziegelbrücke um zwölf Zentimeter. Sie freizuhalten und das Ausheben einer neuen Flutmulde nördlich der Kinzig, eine Absenkung der nördlichen Deichberme zwischen jüdischem Friedhof und Westspange um zwei Meter und ein Abtragen des Nordufers der Kinzig an der Müllerwiese würden nach Angaben von Bauamtsleiter Günter Kauder den Hochwasserspiegel insgesamt sogar um fast 33 Zentimeter senken, ohne die Probleme in die Nachbargemeinde Gründau zu verlagern. Deshalb sei die zusätzlich nördliche Flutmulde eine der wichtigsten Maßnahmen.

Als weitere wichtige Säulen zur Verhütung von Südstadtüberschwemmungen sehen die Experten die Sanierung der zum Teil marode gewordenen Schutzanlagen an. Dämme und Mauern müßten abgedichtet, durch Betonkerne verstärkt oder zum Teil erneuert werden. Das dritte Aufgabenpaket enthält eine Vereinheitlichung und Angleichung der Anlagen auf ein einheitliches Niveau und eine Form, die bei Bedarf eine Erhöhung durch mobile Schutzsysteme oder Sandsäcke erlaubt. Das bedeutet, daß auf den Dämmen begehbare Wege entstehen müssen.

Für Michaelis sind die Hochwasserschutzvorkehrungen damit gleichzeitig eine Chance, den Wert der Kinzig als „Erlebnisraum“ zu steigern. Einen Fluß mitten in der Stadt zu haben, das müsse viel mehr genutzt werden. Rund eine Million Euro sollen im nächsten Jahr die zusätzliche Flutmulde an der Westspange und Dammerhöhungen um zehn bis 50 Zentimeter sowie weitere Schutzvorkehrungen im Stadtteil Burg und im Weiherfeld kosten.
Text: dll., F.A.Z., 31.10.2006
Bildmaterial: F.A.Z. - Wohlfahrt

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