"Gelnhausen kann man nicht wie eine Gastwirtschaft führen"

GT-Umfrage zur Bürgermeisterwahl in Gelnhausen - Warum gibt es so viele Kandidaten?

Es sind nur noch knapp zwei Monate bis zur Bürgermeisterwahl in Gelnhausen am 12. November. Mittlerweile haben sich neben den Kandidaten der großen Parteien Thilo Allwarth (CDU), Thorsten Stolz (SPD) und Daniel Glöckner (FDP) auch einige Parteilose beworben: Sabine Auther, Ulrich Reus und Jan Kienzler wollen die Nachfolge von Amtsinhaber Jürgen Michaelis antreten. Und auch Carl Mell hat seine Kandidatur angekündigt. Bis zum 7. September haben Interessenten Zeit, sich für das Bürgermeisteramt zu bewerben. Schon jetzt steht fest: So viele Bewerber gab es seit Einführung der Direktwahl noch nie. Das GT fragte die Gelnhäuser, was sie von der Kandidatenschwemme halten - und ob sie wählen gehen wollen. Beate Zülch (47), Büroangestellte in der Gelnhäuser Innenstadt, wird auf jeden Fall ihre Stimme zur Wahl des neuen Bürgermeisters abgeben: "Ich gehe immer wählen. Das ist doch selbstverständlich." Sie findet es jedoch "lächerlich", dass sich so viele parteilose Kandidaten zur Wahl stellen. Ihrer Meinung nach hängt dies mit der allgemeinen Unzufriedenheit der Bevölkerung und mit deren Politikverdrossenheit zusammen. Sie glaubt, alle Kandidaten außer denen von CDU und SPD hätten "keine Ahnung". "Zwischen diesen beiden Kandidaten werde ich mich dann auch entscheiden", so ihr Fazit.
Die Studentin Lisa Hoppe findet die Vielzahl der Kandidaten gut. Die 20-Jährige wird zum ersten Mal ihre Stimme bei einer Bürgermeisterwahl abgeben und ist sich noch nicht sicher, wen sie wählen soll: "Ich bin noch unentschlossen, jedoch ist es sehr gut, dass es die parteilosen Kandidaten gibt. Dann muss man sich nicht für eine Partei entscheiden."
Auch Ulrich Nemetz (62) findet die groß Anzahl an parteilosen Bewerbern nicht negativ: "Der Bürgermeister soll ja über den Parteien stehen, deshalb kann dieses Amt auch jemand ohne Zugehörigkeit zu einer Partei ausüben." Der Zahnarzt kann allerdings keine Kandidatenschwemme erkennen: "Ich finde die Anzahl der Bewerber nicht übermäßig viel". Nemetz glaubt, dass der jetzige Beruf eines Kandidaten nichts über dessen spätere Kompetenz als Bürgermeister aussagt. Er ist jedoch der Ansicht, dass die Gastwirte ihre Kandidatur als Werbung in eigener Sache nutzen. Die Kandidaten seien aber insgesamt zu jung und unerfahren, um den Posten des Bürgermeisters auszuüben. Wählen gehen will der Zahnarzt nicht: "Das lohnt die Schuhsohlen nicht. Herr Michaelis war so lange im Amt, dass sich kein anderer Kandidat aufbauen konnte."
Lirim Ziberi (29) erklärt sich die Anzahl der parteilosen Kandidaten folgendermaßen: "Die Bürger werden von den Parteien im Stich gelassen. Die parteilosen Kandidaten wollen wohl etwas bewegen." Trotzdem glaubt er, dass man einer Partei angehören sollte, um politisch erfolgreich zu sein: "Die Parteilosen haben wenig Chancen, da die Bürger ihr Programm nicht so gut kennen wie das einer Partei." Jedoch sollten sich diese fragen, weshalb es so viele Kandidaten ohne Mitgliedschaft in einer Partei gebe.
"Frisch und voller Ideen" Kirsten Kiwitz (41) findet es nicht schlecht, dass es parteilose Kandidaten gibt: "Man kann auch so die Bürger der Stadt Gelnhausen vertreten. Außerdem sollten alle Bewerber gleichberechtigt sein." Die Kandidaten der Parteien hätten jedoch bessere Chancen, da die Bürger deren Programme besser kennen würden. Sie habe keinen Favoriten, sei jedoch erstaunt über die große Anzahl der jungen Leute unter den Bewerbern. "Ich finde es bemerkenswert, was die jungen Kandidaten schon geleistet haben," sagt die Versicherungskauffrau. Diese seien frisch und voller Ideen, könnten jedoch aufgrund ihrer noch zu geringen Erfahrung Probleme im Amt des Bürgermeisters bekommen.
Horst Zülch (46) äußert sich gegenüber den parteilosen Kandidaten etwas kritischer. "Ich halte nichts davon, dass Gelnhausen wie eine Gastwirtschaft geführt werden soll", spielt der Versicherungs-und Finanzmakler auf die Kandidatur der Gastronomen an. Er meint: "Diese Leute können mit Sicherheit eine Gastwirtschaft führen, aber das Schicksal einer Stadt sollte man ihnen nicht anvertrauen." Die parteilosen Kandidaten könnten die Arbeit eines Bürgermeisters nicht bewältigen. Zudem schätzt er die Wahl eines dieser Kandidaten als sehr schlecht ein, da sie keine Rückendeckung von den Parteien in der Kreisverwaltung hätten. Zülch: "Ich gehe auf jeden Fall wählen, da sich etwas ändern muss. Etwas frischer Wind wäre nicht schlecht, jedoch ist keiner der Parteilosen kompetent genug." Sein Favorit befinde sich unter den Kandidaten der Parteien.
Auch Dieter Fischer (65) geht wählen. Seiner Meinung nach entsteht die Anzahl der parteilosen Kandidaten aus der Unzufriedenheit der Bürger mit den Parteien und dem bisherigen Bürgermeister. "Die momentane Situation ist in einer Demokratie normal, jedoch habe ich Zweifel,ob es gute Voraussetzungen sind, wenn wahrscheinlich drei Gastwirte kandidieren", meint Fischer. Er erwartet zudem, dass durch die Kandidatur der parteilosen Kandidaten eine eindeutige Mehrheit für einen der drei anderen Bewerber verhindert wird. Der 65-Jährige: "Jürgen Michaelis hat es im Moment schwer und es ist mittlerweile angemessen, dass jemand Neues kommt."
Die Einzelhandelskauffrau Julia Schewzow geht wählen, weil es ihrer Meinung nach zur Bürgerpflicht dazu gehört. "Ich finde es gut, dass sich so viele Kandidaten gemeldet haben. So habe ich mehr Auswahl", stellt sie fest. Allerdings kommt ihr die hohe Anzahl der eventuell kandidierenden Gastwirte merkwürdig vor: "Wahrscheinlich wollen sie ihren Bekanntheitsgrad steigern." Abgesehen davon empfindet sie das junge Durchschnittsalter der Kandidaten als positiv: "Dabei kommt es natürlich darauf an, was man vorher gemacht hat." Die 23-Jährige hält den Sieg eines parteilosen Kandidaten nicht für ausgeschlossen.
Der Kaufmann Johann Krieger (45) hat vom Wahlkampf bisher fast nichts mitbekommen: "Ich interessiere mich nicht besonders für Politik und engagiere mich auch nicht in diesem Bereich." Er findet es allerdings gut, dass es auf jeden Fall einen neuen Bürgermeister geben wird. Ansonsten lässt er alles auf sich zukommen. Auch die Entscheidung, wen er wählt, will er erst später treffen.
GT (kat).

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